Valparaíso und die Bildungsdemonstrationen
25 08 2011In der vergangenen Woche Dienstag ging es von unserer netten Gastfamilie in Santiago weiter in das 2 Stunden nördlich gelegene Valparaíso.
Auf die bunte Hafenstadt hatte ich mich sehr gefreut. Ich kenne 2 Chilenen und beide kommen aus dem Städtchen, wodurch gut ich mit Sightseeing- Tipps versorgt war.
Das Wetter die 2 Tage ließ zu wünschen übrig, doch unser Zeitplan sah vor, dass es weitergehen sollte üben den Andenpass nach Mendoza, Argentinien. Ich war etwas traurig nicht alles gesehen zu haben, so dass wir vor dem Bus am Morgen zum Sonnenaufgang aufstanden um noch etwas von der Stadt zu sehen, im Regen. Als wir dann am Busbahnhof nach einer viel zu teuren Taxifahrt ankamen, sagte uns der überaus schlecht gelaunte Mann am Ticketschalter, dass der Bus nicht fährt. Die Grenze ist zu, immer noch seit fast 2 Wochen. Etwas schlecht gelaunt so früh aufgestanden zu sein, machten wir uns wieder auf ins schöne Hostal Casa Aventura, um noch ein Weilchen in Valparaíso zu verbringen. Mich hat es gefreut, mir hat es sehr gut gefallen dort und auch das Wetter an dem Tag wurde viel besser. Zudem hatten wir dadurch die Möglichkeit noch mehr von den laufenden Bildungsprotesten mit zu bekommen. An diesem Donnerstag waren weitere Demonstration angesetzt. Die „Marchas“ fanden in allen größeren Universitätsstädten in Chile statt. Nach Valparaíso kamen an diesem Tag um die 10.000 Demonstranten, nach Santiago 20.000. Erstaunlicherweise kamen sie aus allen Schichten, von Kindern über Schüler, Studenten, Eltern, Lehrern, Professoren bis Großeltern waren alle dabei.
Ich weiß nicht wie die Medien in Deutschland über die Proteste berichten. Die Bilder die ich sah zeigten wie immer nur die 5% der aggressiven und gewalttätigen Protestanten, über die vielen kreativen und friedlichen Proteste konnte ich bis jetzt kaum etwas finden. So gibt es zum einen, wie ich bereits in Santiago erzählte, in mehreren Städten die 1800 Stunden Läufe um das Parlament/ die Stadtregierung. An diesem nahm Tobi auch in Valparaíso wieder teil. Zudem gibt es die „Cacerolada“ , das klopfen mit Kochlöffeln auf Töpfen. Dies findet derzeit jeden Abend ab 21h verteilt über die Stadt statt, so dass es eine halbe Stunde unglaublichen Lärm macht in den Straßen. Da jedoch fast alle mitmachen, scheint sich keiner zu beschweren. Manche führen dies einige Stunden fort, bis die Polizei es unterbindet. Ich finde es eine schöne Art auf etwas aufmerksam zu machen, besonders da die Menschen gleichmäßig über die Stadt verteilt sind. Auch die Bildungsdemonstration war etwas aufregender als die unsrigen. Viele liefen mit Trommeln und Musik, in Kostümen oder laut singend. Aber wie so immer gab es auch hier welche, die eigentlich keine Interesse an den Forderungen der Demonstration haben, sondern nur mit aufmischen wollten. Da es kein Gebot gibt wie in Deutschland das Gesicht freihaben zu müssen, waren sie meist vermummt oder hatten Gasmasken an. Polizisten sah man kaum, aber die wenigen fingen sofort bei Unruhen an mit Pfeffergas Bomben zu schmeißen. Und dieses war deutlich stärker als das unsrige, es steht teilweise bis zu 3 Tagen in der Luft. Das hatten wir schon an unserem ersten Tag zu spüren bekommen, als wir an einer Uni vorbei kamen und unsere Augen anfingen zu tränen und zu brennen. Dabei waren die Demonstrationen ein paar Tage vorher. Die Polizei spart jedoch nicht an diesem teuren Zeug und schmeißt es sogar in die Uni-Gebäude rein, wo andere sich eingeschlossen haben um zu streiken. Ein Chilene sagte mir, hierfür habe ich jedoch keine Beweise gefunden, dass es 3 verschiedene Arten von Pfefferspray in Chile gibt. Eines, welches zur nur brennen führt, es ist jedoch stärker als unserer. Das zweite führt zu Brechreich und das dritte sogar zu Durchfall. Wenn es diese wirklich gibt, ist es unmenschlich, wie auch die Wasserwerfer, die mit Schmutzwasser schießen.
Vielleicht sollte ich noch erzählen, wofür die Studenten überhaupt protestieren. Man kämpft für eine kostenlose Bildung, die es Chile vor der Diktatur unter Pinochet (1973-90) auch schon war. In der Diktatur führte man die Bezahlung von Bildung ein und zwar nicht nur für Universitäten, auch für Grundschulen und Schulen. (meine Rechtschreibprüfung schlägt mir für Pinochet nur Pinocchio vor…)
Ein Jahr Bildung kostet bis zu 4500€ an Universitäten. Dies können natürlich nicht alle aufbringen und es ist kaum möglich neben der Uni noch einen Job anzunehmen, dies auch da es kaum Minijobs gibt. Somit muss man entweder aus einer wohlhabenden Familie kommen oder sich hoch verschulden um einen Universitätsabschluss erlangen zu können. Das größte Problem und der stärkste Kritikpunkt der Demonstranten jedoch ist, dass Bildung in Chilé ein Geschäft ist, ein Geschäft in dem man viel verdient. Denn eine hohe Universitätsgebühr zu zahlen sagt nicht, dass man auch eine gute Bildung bekommt. Jeder der ein gutes Geschäft machen möchte, gründet eine Bildungseinrichtung und verdient sich eine goldene Nase an den Studiengebühren. Als dieses System eingeführte wurde, haben nur die Hälfte der heutigen Anzahl eine Uni besucht. Die Streiks dauern nun schon seit mehr als 2 Monaten an. Einige Aktionen (wie der Parlaments-Lauf) enden Ende August. Die Demonstrationen und die Besetzung der vielen Bildungsgebäude (Unis und Gymnasien) gehen, bis es einen Vorschlag seitens des Parlaments gibt. Derzeit findet in den meisten Städten kein Sekundärschul- und Hochschulunterricht statt. Noch sieht es nicht so auch, als ob es seitens der Politik ein Zugeständnis gibt, es gibt zu viel Interesse an diesem System. Die Studenten halten jedoch weiter durch, nur die ersten Hungerstreiks mussten abgebrochen werden. Man sieht Mexico und Argentinien als Vorbild, wo dieser Zustand bis zu 9 Monate andauerte. Bereits jetzt bekommen jedoch viele Schüler das Jahr nicht mehr anerkannt und müssen wiederholen.
Ich meckere zwar immer viel und gerne über das deutsche Bildungssystem, es ist jedoch gegenüber Chile ein „Luxusproblem“.
Wer sich noch etwas informieren möchte, hier gibt es einen schönen Film über die Fakten der chilenischen Bildung (auf spanisch). Link
Nun aber wieder zurück zur Stadt. Valparaíso ist eine Hafenstadt am Pazifik. Es war einer der wichtigsten Hafen bis zur Eröffnung des Panama-Kanales. Die Stadt liegt auf verschiedenen „Stufen“ am Berghang, die mit Fahrstühlen miteinander verbunden sind, dies führt zu einer Vermischung der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Die Stadt, die durch die Hafentradition sein Haus auch vom Meer aus sehen zu können bunt angemalt ist, hatte ihre Blüte zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Heute besitzt die Stadt immernoch einen großen Hafen, der Arbeitgeber vieler Anwohner ist. Da der Hafen aber innerhalb der letzten 15 Jahren von 3000 auf 300 Arbeiter reduziert hat, hat die Stadt mit großer Arbeitslosigkeit und dadurch mit Armut und Kleinkriminalität zu kämpfen.
Hier weitere Bilder von der hübschen Stadt:
Wir haben uns auch den Friedhof (Nr.3 ) angeschaut
Besonders berührt hat ich der Kinderfriedhof, mit den vielen „Kinderbett-Gräbern“
Mir hat die Stadt sehr gut gefallen, daher zum Abschluss dieses Graffiti:
weitere Bilder findet Ihr hier.
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